Sonntag, 24. August 2014

Nach der Durchrüttelung

Ich habe ein ziemlich intensive, kurzzeitige Beziehung zu einer ebenfalls gender-uneindeutig fühlenden Person und eine innere Odyssee durch die Welt der Geschlechter hinter mir, was mich alles sehr aufwühlte, beschäftigte und nun langsam wieder loslässt, ich zur Ruhe komme. So hoffe ich es jedenfalls.
Darauf schreibe ich dann doch mal an diesem Blog weiter. :-)

Heute morgen probierte ich - als Gegenversuch zu den angehäuften Männlichkeiten der letzten Zeit - nach Längerem mal wieder ein Kleid über und betrachtete mich dann im Spiegel. Bin das (noch) ich? Wie fühlt es sich an? Als wer fühle ich mich dabei? Cornelis? Cornelia? Wer sonst?

Es ließ mich überraschend kalt. Da hing also dieses hübsche Stück zusammengenähte Stoffhülle an mir runter, die Konturen meines Körpers irgendwie verhüllend, aber ich empfand weder Abgestoßenheit noch irgendeine emotionale Beziehung dazu. Irgendwie bedeutungslos das alles. Kann eins tragen, aber mein Ich drückt sich darin nicht aus.

Auch wenn es dennoch Schmuck ist. Nett anzusehen. Ich mag hübsche Federn - egal aus welcher Ecke sie nun kommen mögen (auch da tat sich letzerdings was: Dass ich einen Blick für die Schönheit männlich konnotierter Looks bekomme). Lange Flattersäume zogen mich schon immer an.

Doch diese muss ich nicht zwangsläufig in der Zuordnung zum sogenannten "Weiblichen" finden. Schaut eins auf die Moden vergangener Jahrhunderte, so gibts besagte Flattersäume in beiden der kulturellen Zweigeschlechtlichkeit.

Denn da passierte noch etwas, heute morgen. Ich betrachte mich also in buntem Kleid und stelle fest, wie sehr sich mein Körper unter all dem verändert hat. Schultern und Kreuz breite Brust und Hüften kleiner, die ganze Körperspannung und Haltung viel härter als ich mich in Erinnerung habe, wie ich solche Teile trug.

Klar tut da der Kraftsport sein Werk. Aber es ist nicht nur dieses. Die ganze Auseinandersetzung mit dem Thema setzt bei mir Prozesse in Gang. Ist es Zufall, frage ich mich da auch, dass mein Bartwuchs in letzter Zeit stärker ist? Während meine Selbstwahrnehmung zwischendurch schon fast bei Transmann war? - Nun aber wieder mehr zum "Beides ist, und doch ist es das Dritte" hinpendelt. Und, wer weiß, wohin demnächst dann?

Als ich den "Deckel" wegnahm und die Barrieren überwand, die ich mir im Laufe meines bisherigen Lebens aufgestellt hatte, um meine Gestik und Bewegungen Richtung unauffälliger anzupassen, erlebte ich dies nicht nur befreiend. Es kam zu einem Ausbruch derer Teile in mir, die nicht als "weiblich" durchgehen. Es kam eine Beobachtung auf die andere Erkennnis. Wie sehr ich mich abgemüht hatte, den Anforderungen an eine unterstellte Cis-Frau zu entsprechen! All die Anstrengung, es irgendwie auch hinzukriegen mit der filigranen Schmink- und Schmückarbeit - und nie zu genügen. Immer etwas gröber, "plumper" zu bleiben. Kraftanstrengunen "für die Katz", während es andere anscheinend aus dem Handgelenk schüttelten.
Und selbst, wenn das Styling "stimmte", dann machte ich doch alles wieder mit meinen Bewegungen und meinem Temperament kaputt.

Und all dies schaute mir nun mit geballter Wucht aus dem Spiegel entgegen. Wenige Wochen Loslassen und gleichzeitige Orientierung am männlichen Passing haben jahrelange Bemühungen "mal eben" beiseitegewischt. Diese kantigen Bewegungen, die weiten Bögen, die Haltung, der Tonus, das Zulassen der ganzen Kraft, mein (subjektiv empfunden: weniger hübsches, aber authentischeres) Gesicht - ein wenig komm ich mir in diesem Stück Stoff nun schon wie eine Karrikatur meinesselbst vor. Aber: Ist das nicht bereits schon wieder eine Wertung? Muss mensch einen bestimmten Habitus zeigen oder sind das nicht auch nur wieder unsere erhaltenen und gemachten Prägungen, welches Verhalten "weiblich" ist und zu einem Kleid passt?

Ich weiß es nicht! Kann nur fragend vorangehen, tastend erspüren, weitersuchen und die innere Reise fortsetzen - unwissend, ob ich jemals eine (eindeutige) Antwort bekommen werde oder ob selbige in der Uneindeutigkeit liegt und sich jedem Zugriff entzieht.

Und doch und bei allem: Dieser Weg bereitet mir Glücksgefühle und die Ahnung, endlich da hinzukommen, wo ich einfach das Wesen sein kann, das ich bin, jenseits aller gesellschaftlichen Zuordnungen und deren Implikationen.

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