Gewohnheiten

Mittwoch, 29. Juli 2015

Von verinnerlichten Regeln - ein paar unsortierte Gedanken

Letztens postete ich in einem sozialen Netzwerk einen Link zur einem Videomitschnitt eines Eheschließungsrituals der isländischen Ásatrúarfélagið und sinnierte über Inspiration dazu, etwas mal ganz anders zu machen. Daran angelehnt entspann sich eine Minidiskussion darüber, wie frei wir in der Erstellung unserer Rituale sind.

Ich bin leider nicht so der gute Diskutant im Internet. (Dafür umso mehr im Meatspace, von Angesicht zu Angesicht.) Facebook-Kommentare haben auch ihre Grenzen. In dem Rahmen auseinanderzudröseln, dass von Regeln im Sinne von Vorschriften und von verinnerlichten Fahrwassern reden zwei unterschiedliche Paar Schuhe sind, fällt mir eher scher.

Aber wozu habe ich diese Seite, hier kann ich mich in aller Ruhe ausbreiten. :-)

Ja, auch ich kenne keine heidnische Gruppe - jedenfalls nicht persönlich - die starre Regeln dazu aufstellt, wie denn nun ein Ritual, welcher Art auch immer, abgehalten werden soll.

Andererseits: Wir haben alle unsere Prägungen, unsere Traditionen, unsere persönlichen Fahrwasser. Die dazu führen, dass, wenn eins darüber sinniert, wie ein Ritual zu erstellen sei, auf bewährte Zutaten zurückgreift. Und ungünstigenfalls diese nichtmal mehr sonderlich hinterfragt.

Wo kommt was her? Was bezwecke ich damit? Welche Kräfte stärke ich? In welchen Zusammenhang stelle ich mich? - Das nicht zu hinterfragen , birgt die Gefahr, Dinge zu übernehmen, weil sie halt schon immer so waren. Obwohl sie gar nicht mehr passen mögen. Meinen Intentionen gar entgegenstehen. Ballast bergen, der besser abgelegt werden sollte.

Das Ganze läuft in der Praxis z.B. so ab:

ENTWEDER eins ist unerfahren in Ritualistik und sucht irgendwo Anleitung, wie denn sowas gehen könnte. Ich hab die Phase selber durch. Damals hab ich das Internet durchforstet und Bücher gelesen und durch Imitation (und sukkzessive Abwandlung) gelernt.

Eins kann auch durch persönliche Kontakte lernen. Dabei fließen die Handlungsweisen und Erfahrungsweisen der älteren Häs*innen in die werdende Praxis des „Nachwuchses“ ein. So normal wie anerkennenswert wie hinterfragbar, WAS denn da weitergegeben wird. Und ob das immer das Gelbe vom Ei ist.

ODER eins hat diese Phase bereits hinter sich und überlegt: Hm, wie könnten wir das denn jetzt so machen?.... greift auf gemachte Erfahrungen, Erfolgserlebnisse und bewährte Bausteine zurück, vielleicht ergänzt um etwas Neues. Aber - und das ist mein Punkt - traditionsfrei ist das alles nicht. Was ansich auch okay so ist.

Fritz Steinbock hat sein Buch „Der heilige Hain“ sicher auch nicht ganz grundlos geschrieben. (Welches mir letztens zur Ansicht überlassen wurde, als Anregung, eine Anrufung zu schreiben.)

Wie viele Rituale habe ich bereits erlebt, die mehr oder weniger noch von Wicca-Paradigmen geprägt sind? - Wenige waren frei davon! Wir meinen, mit dieser Tradition wenig am Hut zu haben. Aber feiern, teilweise oder komplett, deren Jahreskreisfeste, ziehen dabei Kreise, rufen Elemente, eignen uns Mythenversatzstücke an und widmen diese um. Fahren auf diesen Fruchtbarkeitskult ab, der Menschen rigoros in zwei Geschlechter mit jeweiliger Funktionszuweisung einteilt und ihnen eine Heterosexualität unterstellt, die oftmals gar nicht gegeben ist. (Und damit alles jenseit gesetzter Geschlechternormen, die i.Ü. nicht urheidnisch sondern zutiefst bürgerlich und vom ausgehenden 19.Jahrhundert geprägt sind, wegleugnet und unsichtbar macht.)

Ich und meine Nicht-Hetero- und meine Nicht-Cis-Freund*innen, wir singen traurige bis wütende Lieder davon.

Asatru-Rituale enthalten - dem Schicksal und den daran Beteiligten sei Dank! - davon weniger. Doch auch hier können wir absichtsvoll so frei von Regeln sein wollen, wie möglich. Das gewohnte Vorhandene, die (vielbeschworene) Tradition als Konstrukt wahrzunehmen, und dass eins es auch ganz anders machen könnte, fällt eher schwer. Auch wenn‘s durchaus möglich ist, Wille vorausgesetzt.

Doch - von wem habe ich uneingeschränktes Recht zu reden wdenn nicht mir selber? - ich hungere. Nach dem, was jenseits bekannter Denk- und Handlungsweisen so alles möglich ist. Nach den Räumen hinter den Brücken. Nach dem, was erst möglich ist, wenn wir doch bereit sind, uns von dem ein oder anderen zu lösen.

Jeder Blick über den Tellerrand soll helfen, sagte mir mal jemand. Ich fürchte, sie hatte Recht. ;-)

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